Es stand wieder an, die 12h MTB Weltmeisterschaft in Weilheim im schönen Oberbayern.
Ich hatte hier noch eine Rechnung offen vom letzten Jahr. Letztes Jahr sind Johannes und ich als 2er Team angetreten und konnten uns auf der schweren, bergigen und matschigen Strecke leider nicht von unserer besten Seite zeigen. Die Strecke und Verhältnisse lagen uns absolut nicht und wir hatte keine Chance vorne mit zu fahren. Mit unserem 7 Platz waren wir alles andere als zufrieden.
Noch während der Fahrt nach Hause entschied ich mich schon letztes Jahr nach dem Rennen:
„Hier hin komm ich nochmal wieder! In besserer (Berg)form…“
Zwar bin ich innerhalb von 1 Jahr kein Bergfloh geworden und die WM Strecke wurde nicht flacher (im Gegenteil, es wurde noch 1 Berg mehr vom Veranstalter für mich eingebaut 🙁 ) aber gut 8kg sind es körperlich weniger geworden und ich habe in den letzten Wochen mehr an der Geländeform gearbeitet (sämtliche Trainings und intervalle wurden in „WM Kurs“ ähnlichem Gelände durchgeführt da ich in Vorbereitung auf die vorrigen Rennen doch eher andere Strecken trainiert hatte) Danke an Hosea Frick von STAPS für die super Arbeit! Und u.a. hat Hape Sporthandel mein Bike auf gröberes Gelände getuned, d.h. es wurde ein neues Fahrwerk und Lenker, Griffe usw. verbaut. (Danke dafür auch nochmals!)
Und da ich kein guter Regenfahrer bin, war ich dieses Jahr zuversichtlich bei dem schönen Wetter was es werden sollte in den Top 5-10 in der Soloklasse zu landen.
Dies war 2 Wochen vorher…
2 Tage vorher sahen die Wetteraussichten leider anders aus:
Region Weilheim mit Unwetterwarnungen und starken flutartigen Regenströmen von Freitag bis Sonntag.
Helmut Wolf und Woy waren ebenfalls mit angereist um im 2er Team zu starten.
Na das passte ja. Wir konnten es nicht fassen. 3 Wochen top Wetter hier und genau 1 Tag vor dem Rennen fängt es non-stop an zu schütten wie aus Eimern.
Einen Vorteil hatte es: Ich wusste vom Vorjahr her genau was auf mich bzw. uns zu kommt. ( Dies hob aber leider meinen Stimmungs- und Hoffnungspegel nicht unbedingt an 😉 )
Vom letzten Jahr her war klar:
Ohne Sturz und Material defekt durchkommen war die halbe Miete! Materialschonend fahren so gut es irgendwie geht.
Dazu kam dass ich dieses Jahr leider keinen Betreuer dabei hatte. D.h. ich musste alles irgendwie so vorbereiten dass ich mich selber verpflegen konnte ohne viel zeit zu verlieren.
Ich machte mir alle 14 Flaschen und meine Nahrung schon fertig und deponierte dies auf einem Tisch direkt neben der Strecke. Dazu kam ein Eimer Wasser mit Schwamm und jede Menge Kettenöl.
Punkt 7:30 Uhr ertönt der Startschuss.
Wie immer geht es sofort zügig zur Sache. Kai Saaler der amtierende 12h Europameister überholt mich sofort am ersten Berg und legt ein schnelles Tempo vor. Ich entscheide mich abreissen zu lassen und mein eigenes Tempo zu fahren. Schon in der ersten Runde merke ich dass ich mich in den durch den enormen Matsch und Wurzelübersähten Abfahrten nicht erholen kann! Zusätzlich ist es sehr kalt, was ebenfalls enorm Energie raubt. Für mich steht fest:
Dies wird ein Ausscheidungsfahren bzgl. Material, Kräfteeinteilung und mentalem Durschhaltevermögen.
Ich entscheide mich die Berge gedrosselter hoch zu fahren als ich mir ursprünglich vorgenommen hatte.
Ich verlor zwar jedesmal gut 30 Sekunden bei der Nahrungsaufnahme, aber die Verpflegung vom Tisch klappte im generellen ganz gut.
Probleme hatte ich mit der Sicht durch die Brille. Es war mehr ein Blindflug. Ich war froh dass Martina (Frau von Helmut) mir ab und zu die Brille abgewaschen hat.
In den ersten Stunden liege ich auf Platz 11 und fühle mich eigentlich ganz gut.
Nach ca. 3 Stunden fingen die ersten Materialprobleme mit Bremsen, Kette und Schaltung an. Mir sprang regelmäßig die Kette ab und einige Gänge waren nicht mehr fahrbar da mittlerweile mehr Gras als Ritzel vorhanden war.
Ich halte an und befreie meinen Antrieb von Matsch und Gras , und spendiere allen Teilen etwas Öl. Dies kostete mich gut 5 min.
Dann geht es weiter.
Bei mittlerweile halbzeit des Rennens ist die Strecke an einigen Stellen kaum mehr fahrbar geworden.
Innerhalb von 1 Runde mache ich folgende Prozedur durch:
Sturz in der ersten Abfahrt wo ich mir den Lenker bei einem Überschlag in die Rippe ramme. Ich setze mich 1 Minute hin und kann kaum atmen. Gedanken wie :“ Rippe gebrochen? , Muss ich abbrechen ? “ gehen durch meinen Kopf. Glücklicherweise lässt der Schmerz schnell nach und ich kann weiterfahren. Am Anstieg später reisst mir die Kette. Diese kann ich mit Kettenschloss wieder zügig flicken. In der Runde springt mir noch 2 mal die Kette vom Kettenblatt und die hintere Bremse packt nicht mehr. Nach dem Sturz habe ich in den Abfahrten enorme Probleme mich überhaupt auf dem Bike zu halten. Ich vermute dass ich nach dem Sturz verkrampfter fahre und daher die Probleme kommen.
Ab da kämpfe ich mit enormen motivationsproblemen. Zum ersten mal Denke ich darüber nach ein Rennen abzubrechen.
Meine Gedanken: “ Du hattest einen Sturz und kannst schwer atmen, Kettenriss, hintere Bremse ausgefallen, Schaltung spinnt, Kette springt ab. Strecke unfahrbar. Viele haben schon abgebrochen. Alles gute Gründe aufzuhören! Wäre doch keine Schande!“
„DOCH!!! Es wäre eine SCHANDE! In unserem Sport „ultracacling , 24h oder wie man es auch immer nennt, ist 80% Kopfsache! Der Kopf ist zu 80% der ausschlaggebene Punkt und der Unterschied zwischen den Siegern eines 24h Rennes und den „Verlierern“. Und gegen den Kopf zu verlieren wäre für mich schlimmer und nachhaltiger als jede „Niederlage“! “
Verärgert über meine Abbruch-Gedanken halte ich erneut an, putze mein Rad, fülle Flaschen und Nahrung auf, trete mir selber in der Arsch und entscheide einfach gleichmäßig weiter zu fahren.
Ich liege auf Platz 8 und es sind noch ca. 4 Std. zu fahren.
Als ich ein paar Runden später höre dass ich auf Platz 6 bin, packt mich neue Motivation. „Top 5 wär doch cool! Ich probiere es!“
Ab da fahre ich schneller und es läuft auch wieder besser.
Ca. 1 Stunde vor Rennende ruft mir Martina zu:
„4. Platz! ca. 7 Minuten Rückstand auf 3!“
Durch den Matsch kann man die Nummer und Fahrer kaum erkennen, also kann ich nicht sehen wen ich überhole und wer mich überholt. Jeder könnte der Gegner auf dem 3. Platz sein.
Also: Die letzten 3 Runden fahre ich alles was geht. Die Abfahrten volles Risiko (was mich nochmals zu einer Bodenprobe zwang) und die Berge am Anschlag hoch.
Und als ich in die letzte Runde fahre höre ich den Rennsprecher sagen: „Torsten Weber vom 24h Team Northwave auf dem Weg zum 3. Platz! Die letzte Runde!“
„Was heisst das jetzt? Bin ich auf 3 ? Oder auf 4 kurz hinter 3 ? Wenn auf 3 , wie weit ist der 4, hinter mir?“
Die letzte Runde rasen die Gedanken zwischen Laktat und Schlamm hin und her.
Im Ziel sagt mir Martina dass ich es geschafft habe. Platz 3 bei der 12h WM.
Ich konnte es nicht fassen. Platz 3. Und dass wo ich ca. 4 Stunden vorher noch abbrechen wollte.
Glückwunsch an den verdienten Sieger Kai Saaler! 👍🏻
Und das I-Tüpfelchen :
Helmut und Woy sind Weltmeister in Ihrer Altersklasse geworden! Top!
Ein erfolgreiches und schönes Wochenende in Oberbayern geht zu ende.
… und ich bin froh neue Erfahrungen gesammelt zu haben und meinen inneren Schweinehund wiedermal ein stück mehr geschwächt zu haben für die Zukunft!