Vom mulmigen Bauchgefühl, über das grosse Arschloch, zu mulmigen Fingern…
Nun war es wieder soweit. Nachdem ich mich seit Oktober letzten Jahres zusammen mit Staps gezielt auf die neue Saison vorbereitet habe, und einige Schwächen verbessert habe, stand ich endlich am Start des ersten „Ultraradrennen“ in der neuen Saison 2017.
Aufgrund von starken Allergie-Beschwerden konnte ich leider nicht an der ursprünglich geplanten 12h WM teilnehmen, sondern musste erst einmal ca. 2 Wochen pausieren und Medikamente schlucken. Auch wenn einige Leute mir geraten haben, das 24h Rennen in Rieste auszulassen, entschied ich mich, es trotzdem zu versuchen. Mir ging es in der Woche vor dem Rennen im Training wieder ganz gut. Trotzdem stand ich mit einem mulmigen Gefühl um 14:00 Uhr an der Startlinie. Training ist eben nicht mit Rennen zu vergleichen. Erst recht nicht mit einem 24 Stunden Rennen. Ich war mir alles andere als sicher, dass ich fit genug bin für so eine Belastung.
Um 14:00 Uhr ging es pünktlich los, und es versprach mit über 100 Solofahrern, und amtierendem deutschen 24h Meister Fritz Geers, ein anspruchsvolles Rennen auf einer körperlich knüppel-harten Strecke zu werden. Die Veranstalter haben die Streckenführung dieses Jahr mit zusätzlichen steilen Rampen, ausgewaschenen Wurzelabfahrten und ruppeligen Wiesenabschnitten noch etwas verschärft. Dazu waren Temperaturen von >30° an diesem Wochenende angesagt, was mir alles andere als liegt.
Der Start verlief ganz gut, und ich konnte mich nach der ersten Runde an die Spitze des grossen Solo Fahrerfeldes setzen. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, sehr langsam anzufangen um in der für Sonntag vorhergesagten Hitze noch zulegen bzw. Überleben zu können.
Warum auch immer, ich fühlte mich super und gab Gas. So konnte ich meinen Vorsprung in den ersten Rennstunden kontinuierlich auf meinen Verfolger, Fritz Geers, ausbauen. Fritz musste das Rennen leider später aufgrund von gesundheitlichen Problem abbrechen. Ihm hier nocheinmal alles Gute und gute Besserung von mir!
Auch wenn die anderen Solofahrer Gegner und Konkurrenten sind, so wünscht man so etwas keinem Fahrer. Genau dies ist es, was die Solofahrer u.a. ausmacht. Es herrscht eine Art gegen-seitiger Respekt voreinander und es geht immer sehr, sehr fair zu untereinander! Was ich bei den Teamfahrern aus eigener Erfahrung nicht immer bestätigen kann. Evtl. liegt es aber auch daran, dass der eigentliche Gegner man selber ist. Bzw. sein innerer Schweinehund. Für die überwiegen-den Stunden treten die Konkurrenten für einen mehr oder weniger in den Hintergrund und jeder beginnt den Kampf mit seinem eigenen Gegner namens Schweinehund. Ich nenne ihn auch gerne Arschloch . Führe, wenn es mir richtig schlecht geht, sogar Selbstgespräche. Ich glaube viele andere Fahrer denken dann, ich hab ne Macke . Aber es hilft wirklich! Problem war nur, dass er diesmal sogar ein grosses Arschloch war .
Ums grob zusammen zu fassen ging es mir am frühen Abend sehr schlecht. Ich bekam kaum richtig Luft und hatte Kreislaufprobleme. Keine Ahnung, ob es evtl. auch allergiebedingt war oder auf-grund des vielen Staubes. Aber ich hatte sehr zu kämpfen und einige Motivationsprobleme. Und wie so oft genau in diesen Momenten trifft einen auch noch der Defektteufel. Mein Lager des Vorderrades hatte sich komplett aufgelöst und ließ sich nicht mehr drehen. Hier hat mir mein Betreuerteam, das aus meinem Vater Rolf und Meiner Frau Sarah bestand, enorm weitergeholfen und mich wieder motiviert am Ball zu bleiben und einfach weiter zu treten.
Das Vorderrad wurde gewechselt und ich habe etwas Tempo rausgenommen und mich irgendwie bis in die kühlen Abendstunden gerettet. Ab da lief es wie so oft bei mir wieder bestens. Die Nacht über fühlte ich mich warum auch immer besser als über Tag, und muss mich oft zusammenreissen nicht zu schnell zu fahren. Mein Ziel war es in der Nacht so materialschonend wie möglich zu fahren und die Energie und Wasserspeicher so gut es geht wieder für die bevorstehende Hitzeschlacht am Sonntag zu füllen. Die Nacht über konnte ich zu meiner Überraschung den Vorsprung auf ca 1,5 Stunden ausbauen.
Als die Sonne aufging wurde es Stunde um Stunde immer wärmer und staubiger. Ich habe mit der Hitze immer sehr zu kämpfen. Besonders die Nahrungsaufnahme verändert dann oft Ihre „Marschrichtung“ um genau 180° 😉 (erklär ich jetzt nicht genauer…)
Das Hape Bike lief spitze! Ich bin so froh, dass uns Hape so ein geniales Rennfully gebaut hat! Ich bin mir sicher, dass das Rad bei diesem Rennen eine sehr grosse Rolle spielt! Wer hier als Solofahrer ein Hardtail fährt verschenkt definitiv sehr, sehr viele unnötige Körner!
Seit ein paar Wochen (u.a. beim BEMC stage race in Belgien) teste ich Vittoria Tires Reifen. Ich habe schon einige Reifen getestet aber von den Vittoria´s bin ich begeistert. Mein Favorit ist definitiv der Peyote, gefolgt vom Mezcal. Top Reifen stellt die Frima her!!! Also falls jemand auf der Suche ist und einmal was neues probieren möchte, probiert die mal aus.
Trotz Fully habe ich diesmal enorme Probleme mit den Händen und dem Hintern gehabt. Die Hände taten die letzten 5-6 Stunden einfach nur noch Schweine weh und ich hatte in den Abfahrten wirklich Probleme den Lenker festzuhalten. Ebenfalls sind mir in der 2. Rennhälfte so gut wie alle Finger taub geworden. Dadurch hatte ich Probleme zu schalten, die Trinkflasche zu packen und von meinem Betreuer Nahrung während der Fahrt anzunehmen. Ich spürte einfach nichts mehr, was mit den Finger in Berührung kam. Gerade beim Tippen dieses Berichtes auch nicht unbedingt von Vorteil. Ich bin mir sicher, dass der Grund dafür die neuen Griffe sind, die ich letzte Woche geändert habe. Als Tipp hier von meiner Seite: ESI Gripps! Absolut genial! Leider verbrauche ich davon ca. 5 Paar in einer Saison. Daher habe ich mal andere ausprobiert.
So, jetzt zum Hintern: Beschreibungen erspare ich Euch hier! Ich poste lieber direkt ein Foto!
Nein, spass beiseite. Die letzten 2-3 Rennstunden bin ich fast ausschliesslich im Wiegetritt gefahren. Aber da war ich nicht der Einzige. Die Strecke ist wirklich körperlich knüppelhart. Sie besteht zu ca. 80% nur aus ruppeligen, unbefestigten Wiesen bzw. Ackern. Gespickt mit vielen extrem steilen kurzen Deichauffahrten. Die 3 Asphaltabschnitte verlaufen direkt neben dem Deich, wo starker Wind herrscht. Und durch die direkt danaben stehenden Windräder bekommt man auch noch „schwarz auf weiss“ präsentiert, dass einem der Wind genau von vorne wortwörtlich die Fresse poliert 😉. Die Strecke wird von vielen Fahrern enorm unterschätzt. Die Beine sind dort eigentlich das kleinste Problem! Man sieht dies auch deutlich an der durchschnittlich getretenen Wattleistung. Diese ist niedrieger als bei anderen Rennen, aber man ist körperlich dermassen feddisch, dass man nur noch froh ist wenn es vorbei ist!
Und genau so erging es mir auch. Ich war froh, dass ich gegen Mittag Gott sei Dank einen gesunden Vorsprung von 3 Runden hatte, und mir so ein wenig mehr Zeit nehmen konnte, bis zum Zieleinlauf. Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher ob ich noch genug Energie für ein spannedes knappes Finale gehabt hätte…
So fuhr ich um Punkt 14:01 Uhr als Sieger in der Soloklasse überglücklich über die Ziellinie.
Und um das Wochenende perfekt zu machen, erfuhr ich im Ziel, dass unser 2er Team Frank Reiferscheid und Thomas Ley ebenfalls gewonnen hatten ! Genial! Saustark sind die Beiden gefahren!!! 🙂
Vielen Dank wiedermal an meine beiden Betreuer! Ohne Euch hätte dies nicht geklappt! Als Fahrer muss man eigentlich „nur“ treten. Der Rest machen die Betreuer. Ohne Betreuer könnnte ich glaube ich niemals ein 24h Rennen gewinnen.
Ebenfalls Danke an Hape Sporthandel Hape-bikes, Northwave, Sponser sportfood und Haero Carbon für das Top Material und Produkte! Die Sponser Nahrung ist die mit Abstand beste Nahrung, die ich bis dato probieren konnte! Auch dies meine Empfehlung falls jemand einmal etwas anderes auspobieren möchte. Ich nehme immer abwechselnd Competition und long energy (5%) mit jeweils 2 Saltcaps drin und wenn keine feste Nahrung mehr rein geht, das long energy Gel mit Koffein. Dieses Gel schmeckt wirklich super! Wie Honig in etwa.
Das letzte Dankeschön geht an meinen bisherigen Trainier Hosea Frick von STAPS. Leider werden sich unsere Wege ab diesem Monat trennen, da Hosea die neue Staps Filiale in Münschen leiten wird. Danke für die letzten 3 Jahre der super Zusammenarbeit! Ab diesem Monat freue ich mich auf meinen neuen Trainier Benjamin und auf neue Trainingsreize.