Es war soweit, nach Stuttgart im vergangenen Jahr stand nun für mich mein zweites 24 Stunden Rennen als Solostarter an, auf das ich mich seit Oktober mit der Hilfe von Staps gezielt vorbereitet habe.
Es war die Deutsche Meisterschaft in Rieste rund um den Alfsee auf einer körperlich enorm anstrengenden ca. 12km langen „Ruppelstrecke“, gepaart mit vielen steilen, kurzen Deichauffahrten.
Die Strecke kannte ich schon von den Starts der letzten Jahre zusammen mit Johannes in der 2er Klasse. Dieses Jahr hatte der Veranstalter die Strecke noch ein wenig verändert. So kam ein weiterer Streckenabschnitt von ca. 600m kurz nach dem Start dazu und die Deichauffahrten wurden teilweise verändert.
Als Betreuerteam hatte ich meinen Vater Rolf Weber, Teammitglied Andreas Ronig und Sarah Teuber dabei. Andreas und mein Vater sollten eine der wichtigsten Schlüsselstellen im Rennverlauf spielen. Dazu aber später mehr!
Pünktlich um 14:00 Uhr startete das Rennen bei sonnigen 29 Grad.
Da ich die Strecke schon kannte und wusste, dass es nach dem Start direkt in einen längeren Singletrailabschnitt ging, setzte ich mich sofort an die Spitze und legte ein schnelles Tempo vor, in der Hoffnung, dass das Feld auseinander gezogen wird und gute Fahrer, die nicht vorne am Start standen, ein paar Körner bei der Aufholjagd lassen mussten.
Die ersten beiden Runden liefen sehr gut und ich setzte mich mit Fritz Geers etwas vom restlichen Feld ab. Am Ende der 2. Runde machte ich bei einem Überholmanöver leider einen kleinen Fehler und verhakte mich mit jemandem im Lenker, was zu einem Sturz für uns beide führte. (Sorry dafür, falls du dies hier evtl. liest!) Nachdem ich Lenker und Hörnchen wieder gerichtet hatte, ging es weiter mit der Aufholjagd. Leider wurde durch den Sturz mein Dämpferlockout beschädigt und ich hatte keine Federung mehr. „Egal,…. dann fahr ich eben Hardtail“, dachte ich mir.
Mittlerweile machte mir die Hitze und Sonne enorm zu schaffen. Ich hatte das Gefühl, ich konnte gar nicht so viel trinken, wie ich „verbrauchte“. Mein Bauch war voll mit Flüssigkeit, aber irgendwie fühlte es sich an, als würde nix im Körper ankommen. Ich hatte einen riesigen Durst, obwohl ich immer weiter trank. Zudem konnte ich nichts essen. Alles, was ich zu mir nahm (dieselben erprobten Sachen wie auch schon in den letzten Jahren, z.B. Ensure), ging auf demselben Weg wieder raus 😉. Daraufhin drosselte ich etwas das Tempo und musste Fritz Geers erst einmal davon fahren lassen.
Dann probierte ich sämtliche Nahrungsmittel und Getränke aus, in der Hoffnung, dass sie drin blieben. Ich denke, ich habe meine Betreuer mit meinen „ründlichen“ Wünschen in den Wahnsinn getrieben 🙂. Mit dabei war alkoholfreies Weizen, Iso, Fanta, Cola, Fanta und Cola gemischt bis hin zu Redbull und einfaches Wasser. Mal kalt, mal mit Salz, mal ohne Salz,… . An jeder Kirmesbude herrscht weniger Stress 😉.
Für den Rest des Rennens hatte ich mich auf ISO, Fanta, Wasser, Gels und eingeweichte Weckbrötchen eingeschworen (absoluter Geheimtipp bei heißem Wetter: Eiskalte, eingeweichte süße Brötchen! 🙂).
Nach 2 kleinen Boxenstopps (Flaschenhalter hatte sich 2x gelöst, Lager vom Freilauf war defekt und dadurch ein Laufradwechsel nötig) ging es auf Platz 2 mit einem Rückstand von 16 Minuten in die Nacht.
Nun wurde es kühler und ich fühlte mich wie neu geboren. Ich merkte, dass ich immer schneller wurde und der Abstand zum Führenden immer kleiner wurde.
Daraufhin schmiedete ich einen Plan für den Rest des Rennens, den ich später noch bereuen sollte. Die Pläne, die ich während eines Rennens so schmiede, sind nicht immer wirklich gut durchdacht. Das kommt eventuell daher, dass das meiste Blut in den Beinen steckt und nicht im Kopf 😉.
Egal, das Restliche, im Kopf verbliebene Blut. sorgte für folgenden Plan:
Ich wollte nachts in der Kühle alles auf eine Karte setzen und so viel Vorsprung heraus fahren wie möglich, um ihn dann in der kommenden Hitze im letzten Renndrittel irgendwie zu halten.
Also gab ich Schnur, überholte Fritz, und hatte am Ende der Nacht einen Vorsprung von ca. 9 min.
Bis dahin ging der Plan auf. Dann aber nicht mehr so ganz 😉.
Als es wieder wärmer wurde, bemerkte ich einen enormen Leistungsabfall. Ich wurde immer langsamer und fühlte mich immer schlechter. Genau genommen habe ich mich noch nie so miserabel auf dem Rad gefühlt! Fritz übernahm die Führung und baute seinen Vorsprung rapide auf 1 Runde (ca. 30min) aus.
Mir ging es immer schlechter. Ich hatte enorme Kreislaufprobleme und mir wurde teilweise immer wieder kurz schwarz vor Augen. Ich hielt an einem Schattenstück kurz an und atmete tief durch und goss mir Wasser aus der Trinkflasche über den Kopf. Vor mir drehte sich alles. Auf einmal sah ich vor mir 2 bunte Personen, die mich ansprachen. Ich glaube es waren 2 Mitarbeiter vom Roten Kreuz.
Meine Gedanken: „ Sch….! Wenn ich denen sage, dass mir schwindelig ist, holen die mich womöglich aus dem Rennen raus!“
Meine Antwort: „Morgen! Alles gut! Mache nur kurz ein Päuschen!“ Ich versuchte, so fit wie möglich auszusehen und stieg wieder aufs Rad.
Irgendwie eierte ich dann bis zu unserem Camp und hielt dort an. Ich erzählte meinen Betreuern, dass mir enorm schwindelig ist und ich nicht weiß, wie ich so weiterfahren kann.
Sie legten mich dann auf eine Liege und beruhigten mich erst einmal! Als ich lag, bekam ich Schüttelfrost. Mein ganzer Körper war am zittern. So etwas kannte ich nicht! Sie deckten mich zu, ich aß und trank etwas. Ich lag eine gefühlte Ewigkeit da und grübelte, ob ich es bis ins Ziel schaffen kann. Es waren ja noch über 5 Stunden. Und dass nun wieder mehr Blut in den Kopf kam, machte die Sache nicht besser 🙂. Ich war kurz davor aufzugeben (und wer mich kennt, weiß dass dies bei mir schon einiges zu bedeuten hat!). Andreas sagte mir nachher, es wären nicht mehr als 20 min. gewesen. Rolf und Andreas haben sich die Uhr gestellt, mich 20 Minuten liegen lassen und mir immer wieder kaltes Wasser eingeflößt.
Auf einmal wurde der Liegestuhl aufgestellt, ich bekam eine Flasche kaltes Wasser über den Kopf gekippt und die Ansage:
„So, es geht weiter! Aufs Rad! Wenn du jetzt noch länger liegen bleibst, fährt der Kreislauf runter und es ist vorbei!“
Ich sagte, es ginge nicht mehr. Wir einigten uns dann darauf, dass ich 1 Runde fahren soll, egal wie schnell und dass ich in der nächsten Runde aussteigen könne, wenn ich wollte!
Ich guckte Andreas an, als ob er mich „verarschen“ wollte! Ich habe meine Betreuer zu dem Zeitpunkt wirklich gehasst! Ich war aber zu platt, um zu fluchen.
Sie haben mich dann zu zweit gepackt, aufs Rad gesetzt und einfach angeschoben! Das ging ruckzuck und ich saß auf dem Rad. Ich hörte hinter mir nur Rufe von Andreas, dass ich einfach langsam treten solle und dass wir nächste Runde entscheiden, was wir machen!
Ok, also weiter. Mit jedem Tritt merkte ich, dass es besser ging. Ich konnte es nicht fassen! Ich war wie neu geboren! Ich bekam wieder richtig Druck aufs Pedal und fuhr in die 2. Runde! Da wir unser Camp direkt an der Wechselzone hatten und es wohl viele Besucher, Betreuer und Fahrer mitbekommen hatten, wie ich da 20 min. lag, gab es einen riesigen Jubel, als ich in die 2. Runde fuhr. Ich weiß noch, dass ich mir dachte, warum die wohl alle applaudierten und jubelten.
Nach ca. 2 Stunden war der Ofen aber wieder aus und ich versuchte einfach nur noch, irgendwie das Pedal rum zu bekommen. Aber als ich mir die anderen Solofahrer beim Überrunden so anschaute, sah ich, dass es denen genauso ging!
Die letzten 3 Stunden kletterte das Thermometer auf über 30 Grad. (Auf der ganzen 12 km langen Runde gab es vielleicht auf 500 m ein wenig Schatten). Mein Vater, Andreas und Sarah teilten mir dann mit, dass ich jede Runde kurz am Camp anhalten soll. Diese Prozedur wurde bis zum Ende durchgezogen: beim Camp anhalten, Flasche Wasser über den Körper gießen, in eingeweichtes Brötchen beißen, etwas trinken und wieder treten bis zur nächsten Runde.
Um 14:10 Uhr fuhr ich dann nach 39 Runden und ca. 480 km mit 2 Runden Rückstand als 2. über die Ziellinie. Glückwunsch an den verdienten Sieger, Fritz Geers.
Danke an Hape und Johannes für die Begleitung in der letzten Runde! Das war echt Gold wert. Auch wenn es wahrscheinlich etwas langweilig für euch vom Tempo her war 😉.
Gestern war ich einfach nur froh, dass es vorbei war. Ich hatte noch nicht mal richtig Lust auf die Siegerehrung. Heute bin ich echt glücklich und zufrieden mit dem 2. Platz bei der 24h DM!
Und ich muss zugeben, dass meine Betreuer mehr dazu beigetragen haben, als ich selber!! Danke Euch! Ihr wart echt der Hammer !!!!
Das ganze Wochenende mit dem Team war wieder einmal genial. Johannes und Ralf wurden 2. in der 2er Wertung und holten sich den deutschen Meister Titel (die ersten waren Holländer und außerhalb der DM-Wertung ). Unser 4er Team (Frank, Hape, Helmut und Roland) erreichte einen tollen 7. Platz.
Danke auch an Hans Peter Schumacher von Hape-bikes.de, Schwalbe , Met und Marcel Scheffler von Northwave für das Top Material! Und danke an Hosea Frick von Staps für die super Betreuung in den letzten Monaten!