„Heftig die Typen… das will ich irgendwann auch mal machen!“
So ähnlich war mein Gedanke vor ca. zwei Jahren, als ich voller Bewunderung die Solostarter am Ende eines 24h Events sah. Mich reizte von Anfang an die Teilnahme als Solostarter bei einem 24 Stunden Rennen. Zwei Jahre später stand ich dann endlich im 1er Startblock beim 24h-Rennen in Stuttgart.
Ich blickte mich um. Hinter mir Tomas Kozak vom Rapiro Racing Team welcher gefühlt so ziemlich jedes 24h Solorennen gewinnt bei dem er startet. Neben mir Kai Saaler vom Team Black Forrest, der zweimalige Europameister im 24h Solo. Ich muss zugeben ich hatte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend! Um mich selber zu beruhigen waren meine Gedanken:
„Mach dir kein Stress. Beim ersten mal ist es nur wichtig Erfahrung zu sammeln. Ausprobieren. Mal testen. Einfach mal gucken, ob ich es echt schaffen kann 24 Stunden lang ohne Pause bzw. Unterbrechung MTB zu fahren,…“
15:00 Uhr: Vom Startschuss und dem enormen Applaus der Besucher in der Messehalle 5 in Stuttgart wurde ich aus den o.g. Gedanken gerissen und es ging los!
Die ersten Kilometer waren von einem EBike-Fahrer als Führungsfahrzeug neutralisiert und es ging im gemütlichen Tempo über die wirklich genial gebaute Strecke, durch das Parkhaus und Messegelände. (Noch einmal ein riesen Lob an den Veranstalter, der sich wirklich etwas hat einfallen lassen um die Strecke sehr abwechslungsreich und anspruchsvoll zu gestalten!)
Mit dem Ende der Neutralisation ging es auch sofort zur Sache. Kai Saaler legte sofort ein irres Tempo vor und eine gute Handvoll Solofahrer versuchten zu folgen. Das Rennen war im Gange und ich fuhr so gut es geht mit. Ich war erstaunt, wie schnell die ganzen Typen ein 24h Solorennen angehen! Beim Blick auf den Tacho sah ich fast ausnahmlos Wattwerte um die 300W und einen Puls von 180. War nicht langsamer als bei den Rennen in der 2er Kategorie.
„Das is zu schnell!…Hälste nie durch!… Die sind ja bekloppt!…“
So ähnlich waren meine Gedanken der ersten Stunden. Aber ich fühlte mich wirklich gut. Also entschied ich mich die nächste Zeit nicht mehr auf den Tacho zu gucken und einfach nach Gefühl zu fahren. Die ersten 7 Stunden liefen dann auch ohne Probleme. Mein Vater,der als bewährter Betreuer wieder mit gekommen war, versorgte mich nach vorheriger festgelegter Ernährungs-marschtabelle in gewohnter perfekter Manier. Nach ca. 7 Std. bekam ich den ersten Einbruch. Ich konnte noch nicht einmal mehr an Essen denken, denn dann bekam ich „würgreiz“. Ich merkte, dass ich langsamer wurde. Auf einmal schoss mir der Gedanke an Fanta in den Kopf. Eiskalte Fanta! Ich habe noch nie Fanta im Rennen getrunken. Keine Ahnung wie ich darauf kam.
„Fantaaa aus´m Kühlschrank!!!! „ schrie ich (ich glaube auch nicht sehr freundlich) meinem mit einem Energieriegel hoch haltenden Betreuer zu.
1 Std. und 1 Liter Fanta später ging es wieder bergauf! Es lief eigentlich wieder wie am Anfang. Ich lag auf Platz 2. Ca. 10 Minuten hinter dem 1. Kai Saaler. Ich konnte es garnicht fassen.
„Kann doch nicht sein dass ich auf 2 bin! Stimmt die Zeitmessung?“
Tomas Kozak, mit dem ich einige zeit „zusammen“ fuhr, ist wohl gestürzt und hatte Rückenprobleme, wie ich später erfuhr. Also fuhr ich einfach weiter so schnell ich konnte. So langsam tat alles weh! Es wurde dunkel und es fing an zu regnen. Dadurch wurde die Strecke immer rutschiger. Ich überlegte mir vorne einen gröberen Reifen zu montieren, da ich bei vielen Passagen enorm rutschte und das Sturzrisiko immer mehr zu nahm. Ich war schon im Begriff zum Boxenstop im Lager anzuhalten, da riefen mir die Leute unseres Teams zu : „ Du bist auf 1. !!! Genial!! Knapp 3 Minuten Vorsprung!“
Spontan cancelte ich den Boxenstop und fuhr weiter so gut es ging um die 3 Minuten Vorsprung nicht zunichte zu machen. Jetzt alles auf eine Karte! Volles Risiko!
Die ganze Nacht lang blieb der Vorsprung zwischen 3 und 4 Minuten. Ich versuchte jede Runde einen Zahn zu zulegen, in der Hoffnung, dass Kai Saaler aufgab und langsamer machte. Aber jede Runde rief mir mein Vater die selben Zeiten zu: „ 3:00 min … 3:10 min… 2:55 min … „ Ich kam mir vor wie in nem Alptraum. Und das schlimmste zusätzlich: Ich musste seit ca. 3-4 Std. so dringend auf die Toilette, dass ich bei jedem noch so kleinen Hubbel Unterleibskrämpfe bekam. Aber ich wollte nicht anhalten bevor dieser Kai Saaler endlich aufgegeben hatte. So quälte ich mich Runde für Runde und machte mir sogar Gedanken darüber ob man so eine Blase auch durch Training vergrößern kann. Das Männchen auf der anderen Seite der Schulter fragte mich aber dann ob ich noch alle Latten am Zaun hab, mir solche Gedanken zu machen
8:30 Minuten Vorsprung am Ende der Nacht! Ich konnte es nicht glauben. Am Ende erfuhr ich, dass Kai Saaler Probleme mit der Lampe hatte und so zwei mal anhalten musste. Ich fuhr wie beflügelt! Und der Abstand blieb konstant. Dann passierte das Ungünstigste, was man sich vorstellen kann: Ich sprang über eine Palette und anstelle des normalen dumpfen Aufpralls krachte es. „Neiiiiiin! Drisss!! Hinterrad platt“ Gott sei dank nicht so weit weg vom Fahrerlager. Also von der Strecke runter und in Richtung Betreuer. Mit grossem lautem Geschrei flog ich in die gemütliche Fahrerlager Runde ein :
„Neues Hinterrad bitte!!! Bremse einstellen!!! Ich muss pinkeln!!!“
Ich stand am Dixi und zählte die Sekunden runter. Enorm was meine Teamkollegen geleistet haben! Besonders Matthias unser Gastfahrer vom Team Prowell! So schnell hatte ich noch keinen das Hinterrad wechseln gesehen. Als ich raus kam, hatten alle mit angepackt und das Hinterrad gewechselt und die Bremse eingestellt. Ich konnte sofort weiterfahren! Und hatte sogar die Blase leer. Das war kurzfristig ein Gefühl wie Urlaub.
Danach war der Abstand auf 2:30 Minuten gesunken. Egal! Weiter geht’s! Ab da fuhr ich alles, was noch ging. Es war das selbe Spiel wie in der Nacht. Der Abstand blieb immer in etwa gleich. Ca. 3 Stunden vor Schluss war bei mir dann der Ofen aus und Kai Saaler schloss auf. Ich drehte mich um und sage zu ihm „Du kannst dir garnicht vorstellen, wie froh ich bin dich zu sehen. Ich hatte schon Albträume von dir!“ Er antwortete: „Man bist du ein zäher Hund!“ Da musste auch er lachen und wir fuhren eine Zeit lang zusammen. Ich merkte aber sehr schnell, dass ich einfach keine Chance mehr hatte und immer langsamer wurde. Ich gratulierte ihm noch und ließ ihn fahren. Großes Lob hier von mir an Kai! Ich habe selten einen „Konkurrent“ getroffen, der so in Ordnung war! Er gab mir noch ein paar Tipps, wie ich die letzten beiden Stunden überstehen kann und hat sogar zum Zieleinlauf vor der Halle auf mich gewartet um mir zu gratulieren und mit mir zusammen ins Ziel zu fahren.
So endete mein erster Soloritt mit einem für mich überraschenden 2. Platz über welchen ich mich enorm gefreut habe. Damit habe ich niemals gerechnet! Trotzdem war mein erster Gedanke nach dem Zieleinlauf: „So ne Solo-Kacke mache ich nie wieder!!!“
Heute denke ich aber schon wieder anders darüber!
Vielen Dank an den super Betreuer Rolf Weber, sowie das tolle 4er Team vom 24h Voreifel Euskirchen, die einen genialen 3. Platz in ihrer Wertung eingefahren hatten, inkl. deren Betreuer für den Top Support und das super lustige und geniale Wochenende!
Danke an Hape-bikes und Northwave für das Top Material und Hosea Frick von Staps für die super Betreuung in den letzten Monaten.