04.06.2019 – Rennbericht Race Across Germany Aachen-Görlitz

Rennbericht Race Across Germany 2019 ( Torsten Weber Solo Klasse)

Von Aachen über eine Fata Morgana nach Görlitz

 

Nach ca. 8 Monaten Vorbereitungsphase ist es immer ein besonderer Moment wenn der erste Wettkampf ansteht. Gerade im Ultracycling Bereich sind es in der Regel nur wenige Hauptrennen welche im Jahres Kalender stehen.

Mein großes Saison Ziel ist das 2200km lange Race Around Austria am 12.08. dieses Jahres. Da bot sich das Race Across Germany, in der 780km langen Variante Aachen-Görlitz Anfang Juni perfekt als Vorbereitung und kleinen Formcheck für mich und Crew an! (Ebenfalls ist es immer wieder cool Dieter Göpfert, den Organisator von u.a. dem RAG, noch einmal wieder zu sehen)

So stand ich also freitagmorgens bei bestem Wetter am Aachener Marktplatz an der Startlinie des RAG und wartete darauf bis Dieter endlich die letzten Sekunden bis zu meinem offiziellen Start um 8:28 Uhr runtergezählt hat. Meine Betreuercrew, bestehend aus meinem Vater Rolf, Chris und Tanja standen ebenfalls im Startbereich.

„… noch 15 Sekunden !…“

Die letzten Monate hatte ich einiges an Training und Ernährung angepasst. Und dies hier ist der erste wirkliche Test ob die Arbeit auch Früchte getragen hat.

„10 Sekunden bis Start…“

Ebenfalls werden wir das neue Berg Rad inkl. Wechsel Prozedur testen wollen. Ich bin gespannt wie dies funktionieren wird und ob ich mich auf Dauer wohl auf dem neuen Hape-Bike fühlen werde.

„5, 4, 3, 2, 1, Start für Torsten Weber ! Viel Erfolg! …“

Es ging los! Endlich ging es los! Der Startschuss ist irgendwie immer wie so eine Art Befreiung. Endlich kommt man aus der eher angespannten und unangenehmen Atmosphäre raus, in eine gewohnte, vertraute Atmosphäre welche man kennt! Es ist vergleichbar mit einem „Nach Hause kommen“:

Radfahren! Dieses Gefühl kenn ich und fühle sich einfach wohl und vertraut.

Perfekt ist es dann sobald die Betreuercrew nach einer gefühlten Ewigkeit (die ersten ca. 10-15 Kilometer ist man auf sich alleine gestellt durch die Aachener Innenstadt) hinter einem auftaucht und man den erleichternden 1. Funkspruch hört:

„ So Torsten, wir haben dich und sind hinter dir! Alles OK soweit? „

(Was mir diese Worte in den nächsten Stunden noch bedeuten werden, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht 😉 …)

Ab da läuft alles ab wie schon etliche Male getestet und gedanklich durchgespielt ab. Nichts wirklich Nerven aufreibendes:

Treten, auf Navi checken wann es das nächste Mal abzubiegen gilt, regelmäßig Trinken und essen (die Temperaturen stiegen auch so langsam in den 20+ Bereich) und kleine Smalltalks mit der Crew über den Funk.

So ging es im zügigen Tempo durch mein Heimatgebiet, durch Weilerswist in Richtung Metternich.

In Metternich erwartete mich eine richtige Fan Gemeinde! Wahnsinn wer hier alles stand und mich anfeuerte. Ich sah Banner, hörte Gejubel, konnte aber nur vereinzelte Gesichter richtig zuordnen in dem kurzen Augenblick des Vorbei Fahrens. Es war sogar mein Name auf den Asphalt gemalt worden. Kannte ich bis dato nur von den Pro´s, und nicht für solche Speckbären wie mich ;-). Dies war ein richtiger Gänsehaut Moment, den ich so schnell nicht mehr vergessen werde! Vielen Dank an euch alle dafür! Es war einfach nur geil!

Das Begleitfahrzeug stoppte dort planmäßig um ein paar vorher abgesprochene Utensilien einzusammeln ( Z.b. Thermoskannen mit heißem Wasser)

Dass ich meine Betreuercrew ab jetzt für die nächsten gut 4 Stunden nicht mehr sehen werde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt keineswegs ahnen…)

Es war jetzt ca. 11 Uhr und die Temperaturen stiegen stetig an. Ich fuhr ohne Begleitfahrzeug in Richtung Bornheim und anschließend durch die ehemalige Bundes Hauptstadt Bonn in Richtung bergisches Land.

In Bonn bemerkte ich ein enormes Verkehrsaufkommen. In meinen Augen war es schon ein regelrechtes Chaos und Hektik. Hab mir aber noch nicht wirklich etwas dabei gedacht. Dort habe ich mich aufgrund einer Straßensperrung/Baustelle auch das erste Mal verfahren. Mein Garmin hatte sich durch die Umleitungen irgendwie auf gehangen und ich landete in der Fußgängerzone. Nach Neustart des Garmins konnte ich wieder die grobe Richtung der Strecke erkennen, auf welcher ich mich ein paar Minuten später auch wiederfand.

Alles wieder gut dachte ich mir, es geht weiter! Die paar Minuten welche ich dadurch verloren habe machen den Bock nicht Fett! Das Rennen ist noch lang…

Es ging also aus Bonn raus und die ersten Anstiege begrüßten uns Fahrer. Mittlerweile war es mit ca. 25 Grad und Sonne richtig warm geworden. Generell ja gut, aber ich hatte seit ca. 30min die Flasche leer.

Ich dachte mir dass das Begleitfahrzeug bestimmt etwas länger durch Bonn gebraucht hatte als ich, und mich bestimmt jeden Momentan wieder einholen wird. Dann kann ich etwas neues Kühles trinken und eine Kleinigkeit essen. Also weiterfahren.

Erst gut 2 Stunden später werde ich erst wissen dass dies zwar ein guter Plan war, aber wohl nicht ganz aufgehen wird!

Irgendwo im bergischen Land:

Ich fasse es mal grob zusammen: warm wie sau, keine Wolke am Himmel, kein Schatten in Sicht. Seit ca. 3 Stunden nichts mehr getrunken und gegessen und keine Ahnung was mit meiner Betreuercrew passiert ist.

„Wenn ich nicht langsam etwas trinke und esse, dann wird die Situation mehr als brenzlig. 600km vor mir und ich bin kurz vorm Hungerast und am dehydrieren. Hoffentlich ist meiner Crew nichts passiert. Irgendetwas muss doch passiert sein! Warum sollten die sonst nicht schon längst bei mir sein!? Warum habe ich bloß das scheiß Handy nicht dabei??!! Das passiert mir nicht nochmal! Ab jetzt immer ein Handy am Bike!“

Ich fing an Ausschau nach Tankstellen, Geschäften und Menschen zu halten um nach Wasser und Essen zu fragen. Aber leider war keine Menschen Seele zu sehen!

„Das kann doch nicht sein dass hier niemand ist!!!“ So langsam gesellten sich zu der Angst um meine Betreuer, Gefühle der Verzweiflung.

Ich fuhr noch langsamer und nutzte jede noch so kleine Schattenstelle auf der Strecke um nicht noch weiter auszutrocknen.

Die Situation begann wirklich brenzlig für mich zu werden. Ich überlegte mir sogar kurz Wasser von einem Fluss in die Trinkflasche zu füllen. Aber das Risiko ein Magendarm Problem zu bekommen war einfach zu groß.

Man sagt ja das Menschen in kritischen Momenten manchmal Dinge sehen welche in Wirklichkeit gar nicht da sind. So gibt es Geschichten von Menschen welche in Wüsten plötzlich Wasser sehen. Fata Morgana´s. Es gibt dort zwar auch Erklärungen zu bzgl. Spiegelungen von entfernten Gewässer an diese Position, aber der Hauptgrund ist wohl ein Eigen Schutz des Gehirns.

„ Hallllooo!!! Hier Wasser !!!!“

Ich erschrak als plötzlich eine Frau regelrecht vor mich sprang und mir eine Flasche Wasser entgegen hielt! Mein erster Gedanke war das dies doch bestimmt eine Einbildung sein muss. Aber zum Nachdenken hatte ich nicht viel zeit, und ich griff einfach nach der Flasche! Und ich hatte sie wirklich in der Hand. Ich war so perplex dass ich mich, glaube ich, gar nicht mehr bedankt hatte.

Dass dies kein Zufall war dass die Frau dort mit Wasser stand werde ich später noch erfahren.

Ich hatte also wieder Wasser. Genial !! Allerdings war die Sorge um meine Crew immer noch präsent.

Ein paar Dörfer weiter fuhr ich aufgrund einer Baustelle durch Schotter und ich hörte ein plötzliches Zischen. Platten am Vorderrad! Ich konnte es nicht fassen. Flickzeug hatte ich leider keines dabei.

Um ehrlich zu sein war dies ein Moment der nervlich schon grenzwertig war.

Keine Ahnung wo mein Team ist, zu wenig getrunken und Hunger, Platt gefahren am A*** der Welt, und noch ca. 600km vor mir.

Ich schob mein Rad unter einen Baum einer Wiese und setzte mich in den Schatten. Ich fluchte 2min über meine eigene Blödheit, und versuchte anschließend die Zeit so gut es geht mit ausruhen zu nutzen. Dies war zu dieser Zeit meiner Meinung nach das einzige sinnvolle was ich machen konnte.

Plötzlich sah ich einen älteren Mann welcher im Feld am Arbeiten war. Ich ging hin, erzählte ihm meine Geschichte und bat um ein Telefon. Dies besorgte er mir dann auch und nach ca. 10min konnte ich meine Frau anrufen (Eine andere Nummer hatte ich nicht im Kopf). Von Ihr erfuhr ich dass alles OK mit den Betreuern war, diese jedoch seit >2Std. in einer Sperrung/Stau in Bonn befanden. Ich bat sie die Betreuer anzurufen und die Situation inkl. Standort mitzuteilen. Ein befreiendes Gefühl zu wissen dass mit der Crew alles in Ordnung war.

Es vergingen 45min mehr oder weniger chillend im Gras bis meine Crew und ich wieder vereint waren.

Dann ging es endlich weiter. Diesmal das Feld von hinten aufräumen dachte ich mir.

Es lief auch wieder wirklich gut, und ich nutzte um möglichst schnell wieder Flüssigkeit und Nahrung aufzufüllen. Wahrscheinlich ein wenig zu schnell, denn ich bekam plötzlich Magenkrämpfe und Sodbrennen.

Mit kleineren Portionen Porridge gefolgt von jeweils kleinen Schlucken Cola hatten wir das Magenproblem nach 2-3 Stunden wieder im Griff.

Ebenfalls erfuhr ich das meine Fata Morgana die Frau der Person war welcher eine Zeitlang mit im Begleitfahrzeug war. Gerd-Dieter Schmitz hatte beim Crowdfunding die Prämie erworben und er konnte so eine Zeitlang live mit im Begleitfahrzeug sein. Er stieg in Friesheim ein und nach ein paar Stunden war der Plan ihn wieder bei seiner Frau raus zu lassen. Die Frau welche mir das Wasser anreichte, war die Frau von Gerd! Sie hatten sie angerufen und ihr mitgeteilt wenn ich vorbei kommen würde sie mir bitte Wasser anreichen muss, da ich seit Stunden nicht mehr Flüssiges angereicht bekommen habe.

Vielen vielen Dank an Gerd und seine Frau nochmals!! Leider hatte er mich aufgrund des Staus nicht einmal sehen können. Sehr gerne würde ich aber eine kleine Radtour mit ihm zusammen nachholen und alles noch einmal besprechen! Also wenn du Lust dazu hast Gerd, sehr gerne!!

Nun begann die Aufholjagd. Diese wurde auch nur durch eine ca. 1 Stunde andauernde Tiefphase gebremst. Diese Phase nutzte ich um durch die zu dieser Zeit nur geringe Tretleistung möglichst die Glykogen Speicher mittels Ernährung wieder zu füllen. ( Ja OK, und etwas Mimimihh bei der Crew 😉 )

Dann ging es so langsam in die Nacht und ich fühlte mich immer besser! Richtig cool war es plötzlich meinen Freund und Mitstreiter Nico Mausch, der spätere 3. Platzierte, zu sehen und aufzuschließen. Wir plauderten ein wenig bevor er mich fahren ließ und jeder seine eigene Pace weiterfuhr. Nico ist mittlerweile ein richtig guter Freund geworden, mit welchem ich regelmäßig zusammen trainiere und wir uns gegenseitig unterstützen und austauschen bzgl. allen Aspekten des Radsports. Nico ist genial! Ein saustarker Fahrer, welcher am Berg und Mental unheimlich stark ist! Als Beispiel ein Auszug eines unserer Sätze welche wir beim Auftreffen miteinander austauschten:

Ich kotzte mich kurz bei ihm über meine eigene Schuld bzgl. Handy und Flickzeug und den dadurch entstandenen ca. 1 Std. Zeitverlust aus, worauf er nur reagierte:

„Junge! Scheiß drauf! Lerne draus und sei froh dass nicht was wirklich Schlimmes passiert ist! Stell dir vor du wärst gestürzt oder vom Auto angefahren worden! Dann wärst du jetzt nicht mehr hier am treten…“

Er hatte vollkommen Recht! Weiter ging es mit Volldampf durch die Nacht.

Um etwas Zeit gut zu machen wechselten wir an den Bergen auf das Berg Rad , und bei längeren Flachabschnitten oder Abfahrten auf das Aero Rad mit Triathlon Aufsatz. Meine Crew machte hier einen Top Job! Absolut genial wie zügig dies alles funktionierte.

Auf Platz 2 liegend teilte mir nun meine Crew regelmäßig den Abstand zu dem Führenden Rainer Steinberger mit. Rainer ist kein unbeschriebenes Blatt, und hat schon viel Erfahrungen im Bereich ultracycling und ultra Triathlons. Er hat z.b. erst vor 4 Wochen das Race across Italy auf dem 2. Platz finishen können.

Umso erstaunter war ich dass ich anscheinend immer näher kam. Ich habe wohl in der Nacht den Abstand von 55km auf 38km verkleinern können. Ich war selber ein wenig überrascht.

Am Morgen merkte ich aber dass es für mich nicht möglich war den Abstand weiter zu verkleinern. Ich hatte das Gefühl das Rainer sich immer an meiner Pace orientierte. Fuhr ich schneller, fuhr er schneller. Fuhr ich langsamer, so erholte auch er sich.

Nach einigen Stunden entschied ich mich ein für mich erträgliches Tempo zu fahren und neben dem genialen Sonnenaufgang auch die schöne Landschaft und die Fahrt mit meiner Crew zu genießen.

Die letzten ca. 100km rund um Dresden waren durch die vielen kurzen recht steilen Rampen sehr Kräfte zehrend, aber trotzdem irgendwie die schönsten! Ein irre geiles Gefühl wenn man weiß man kommt ins Ziel und wird sogar zusammen mit seinem Freund auf dem Podest stehen bei der Siegerehrung. Geil!

So rollte ich nach 791km, 7800hm nach 27:06 Stunden über die Ziellinie in Görlitz und fiel Dieter Göpfert und meiner Crew Vater Rolf, Chris Heck und Tanja Ney glücklich in die Arme!

Eine ebenfalls tolle Geste war das der Sieger Rainer Steinberger (Sieg Zeit 25:16 Stunden) noch gewartet hatte und mir mit seiner ganzen Crew gratulierte. Toller Sportsmann und super freundlicher Kerl! Und auch von hier noch einmal ein riesen Glückwunsch und Respekt an dich und deine tolle Crew! Evtl. sieht man sich beim RAA.

Bevor es am Abend zur Siegerehrung ging, wurden noch ein Schnitzel, ein Paar Weizen und abends noch eine Pizza zusammen mit meiner Crew verdrückt J .

Vielen Dank an Dieter Göpfert, diesen positiven verrückten Kerl den man einfach nur lieben kann 😉 , der solche Rennen überhaupt für uns möglich macht! Großen Dank an meine Betreuercrew Rolf, Chris und Tanja, welche einen absolut genialen Job gemacht haben! Sei es Navigation, Verpflegung, Organisation, Materialpflege, Reparaturen und mir, auch wenn nicht immer leicht 😉 jeden Wunsch erfüllt haben. So musste z.b. mitten in der Nacht auf meinen Wunsch hin die Batterien des Leistungsmessers gewechselt werden, da ich ab und zu Aussetzer bei der Messung hatte.

Auch Danke an Tanja für die Social Media Arbeiten um euch alle auf dem Laufenden zu halten! Ich hoffe es war für euch ebenfalls spaßig und unterhaltsam das Ganze zu verfolgen!

Danke auch an alle von Euch da draußen für eure geile Unterstützung auf Facebook! Mir wurde jeder einzelne Kommentar vorgelesen. Dies hat in den schweren Phasen wirklich Flügel verliehen!

Zu guter Letzt meinen größten Dank an meine Familie welche mich bombastisch bei meinem Hobby und meinen Träumen unterstützt, und nicht nur einmal die letzten Monate eigene Interessen hinten angestellt haben! Absoluter Wahnsinn, und ohne dies wäre es für mich definitiv nicht möglich!!!

Für alle da draußen:

Sucht euch ein Ziel und geht es an! Fragt um Unterstützung und lasst euch von niemanden einreden warum Sachen/Ziele evtl. nicht erreichbar wären! Und gebt nicht auf, egal welche Niederlagen zwischendurch auf eurer Reise zum Ziel auftauchen! Macht das Beste aus jeder negativen Situation, lernt daraus und kämpft weiter!

Und wenn ich eine Sache mittlerweile gelernt habe: Nach jedem Tief kommt auch wieder ein hoch! Manchmal zügiger als man glaubt…

Gruss & live your dreams!

Torsten

 

#liveyourdreams

 

 

 

 

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